Neuromuskuläre Armprothese ermöglicht handwerkliche Tätigkeiten

14.05.2020
 

Medizin

Neuromuskuläre Armprothese ermöglicht handwerkliche Tätigkeiten

Mittwoch, 13. Mai 2020

/belahoche, stock.adobe.com

Göteborg − Schwedische Forscher haben eine neuromuskuläre Armprothese entwickelt, die oberhalb des Ellbogens amputierten Patienten wieder zahlreiche manuelle Tätigkeiten ermöglicht. Die 4 im New England Journal of Medicine (2020; 382: 1732-1738) vorgestellten Patienten waren weitgehend in Privat- und Berufsleben integriert.

Der Verlust eines Beines ist leichter zu ersetzen als der eines Arms. Die meisten Patienten kommen mit einer Beinprothese relativ gut zurecht. Armprothesen haben sich in der Vergangenheit häufig als nutzlos erwiesen, so dass sie von vielen Amputierten nicht getragen werden. Die Prothese, die Forscher der Technischen Hochschule Chalmers in Göteborg entwickelt haben, wurde von den ersten Probanden nicht nur akzeptiert. Die Amputierten haben auch relativ schnell gelernt, die Prothese in Beruf und Alltag einzusetzen.

Die Prothesen wurden mit einer Titanschraube fest im Oberarmknochen verankert (Osseointegration). Im Stumpf wurde operativ der Verlauf von Nerven so verändert, dass sie die noch vorhandenen Muskeln innervieren. Der Nervus ulnaris, der normalerweise mehrere beugende Muskeln (Flexoren) im Unterarm steuert, wurde mit dem kurzen Arm des Musculus biceps brachii verbunden.

/youtube, Chalmers University of Technology

Der Nervus radialis, der im Unterarm eher die Strecker (Extensoren) innerviert, wurde mit dem Musculus triceps brachii verbunden. Auf die Hülle der beiden Muskeln wurden Elektroden befestigt, die die Bewegungen der Muskeln registrieren. Diese Signale steuern dann die Bewegungen der Prothese.

Die 4 Patienten haben laut Max Ortiz Catalan und Mitarbeitern der Technischen Hochschule Chalmers schnell gelernt, die Bewegungen ihrer Prothese mit den Kontrak­tionen der Stumpfmuskeln zu steuern. Alle 4 hatten jedoch schon vorher eine osseointegrierte Prothese getragen, die ihnen allerdings nur wenig im Alltag geholfen hatte. Mit der neuen Prothese kamen sie deshalb besser zurecht, weil sie Rückmeldungen über ihre Bewegungen erhielten.

Die Prothese verfügt am Daumen über mehrere Drucksensoren, deren Signale an die Nerven im Stumpf weitergeleitet werden. Als „Interface“ dienen Elektroden, die als Manschetten um den Nervus ulnaris und bei 3 Patienten auch um den Nervus medianus geschlagen wurden. Dies hat laut Catalan die Feinmotorik der Prothesenträger deutlich verbessert.

Zu welchen Tätigkeiten die Patienten in der Lage sind, zeigt ein Video. Ein Patient steuert auf einer Baustelle mit beiden Armen einen Löffelbagger, ein anderer ist bei Renovierungsarbeiten mit Bohrer und Hammer zu sehen. Das beidhändige Steuern eines PKW ist ebenso möglich wie das Halten eines Tellers am Buffet.

Auch das Schrauben in der PKW-Werkstatt gelingt recht flott, ebenso das Aufwickeln eines Schlauchs und die Reparatur von elektrischen Schaltern. Die Patienten bedienen an der Werkband beidarmig eine Eisensäge und im Haushalt das Nudelholz zum Ausrollen des Pizzateigs. © rme/aerzteblatt.de