Makrolid-Antibiotika könnten Fehlbildungen auslösen

21.02.2020

Medizin

Makrolid-Antibiotika könnten Fehlbildungen auslösen

Freitag, 21. Februar 2020

/Tobilander; stock.adobe.com

London – Die Behandlung mit einem Makrolid-Antibiotikum im 1. Trimenon der Schwangerschaft war in einer Analyse elektronischer Krankenakten im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2020; 368: m659) mit einer erhöhten Rate von Fehlbildungen vor allem des Herz-Kreislauf-Systems verbunden.

Die Makrolide Azithromycin, Clarithromycin und Erythromycin gehören zu den sichersten Antibiotika. Sie zählen deshalb auch in der Schwangerschaft zu den bevorzugten Mitteln, wenn Penicilline nicht infrage kommen. Und Antibiotika werden häufig an Schwangere verschrieben, obwohl während der Schwangerschaft generell zu einer vorsichtigen Indikationsstellung geraten wird.

In einer Analyse der „Clinical Practice Research Datalink“ (CPRD), den elektronischen Krankenakten, lag der Anteil der Mütter, denen im Verlauf der Schwangerschaft wenigstens einmal ein Antibiotikum verschrieben wurde, bei 31 %.

Am häufigsten wurden Penicilline verordnet, die als sicher für die Kinder eingestuft werden. Makrolide zählen zu den Reservemedikamenten. Ihre Sicherheit ist allerdings umstritten. Bedenken bestehen vor allem gegenüber Clarithromycin, das in tierexperi­mentellen Studien die embryonale Entwicklung von Ratten gestört hat. Für Azithromycin wurde ebenfalls ein teratogenes Potenzial beschrieben. Erythromycin wird günstiger eingestuft, weil die Plazentagängigkeit relativ gering ist.

Heng Fan vom University College London und Mitarbeiter haben jetzt in einer Analyse der CPRD gezielt nach einer Häufung von Fehlbildungen bei Kindern gesucht, deren Müttern in der Schwangerschaft ein Makrolid verschrieben worden war. Zunächst haben die Forscher die Daten von 104.605 Kindern verglichen, deren Müttern entweder ein Makrolid oder ein Penicillin verordnet wurde.

Tatsächlich wurden bei den Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft ein Makrolid erhalten hatten, häufiger schwere Fehlbildungen beobachtet, als bei Kindern der Frauen, die ein Penicillin erhalten hatten. Am deutlichsten war dies im 1. Trimenon erkennbar. In diese Phase fällt die Entwicklung der Organe. Die Embryogenese ist besonders anfällig für teratogene Schäden.

Fan ermittelt eine Prävalenz von 27,7 auf 1.000 Lebendgeburten nach Exposition mit einem Makrolid gegenüber 17,7 auf 1.000 Lebendgeburten nach Exposition mit einem Penicillin. Die adjustierte Risk Ratio betrug 1,55 und war mit einem 95-%-Konfidenz­intervall von 1,19 bis 2,03 signifikant. Am deutlichsten war das Risiko für kardiovaskuläre Fehlbildungen (10,6 versus 6,6 pro 1.000 Lebendgeburten) erhöht mit einer Risk Ratio von 1,62 (1,05 bis 2,51).

Bei einer Exposition im 2. oder 3. Trimenon war das Risiko deutlich geringer. Bei den mit einem Makrolid exponierten Kindern betrug die Prävalenz 19,5 auf 1.000 Lebendge­burten. In der Kontrollgruppe mit Exposition mit einem Penicillin kam es zu 17,3 schweren Fehlbildungen auf 1.000 Lebendgeburten. Die adjustierte Risk Ratio von 1,13 (0,94 bis 1,36) war nicht signifikant.

Fan ermittelt zusätzlich ein erhöhtes Risiko von genitalen Fehlbildungen (4,7 versus 3,1 pro 1.000 Lebendgeburten, Risk Ratio 1,58; 1,14-2,19). Am häufigsten waren Hypospa­dien. Ein erhöhtes Risiko auf Zerebralparesen, die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyper­aktivitätsstörung (ADHS) oder Autismus war nicht erkennbar.

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Bei der Betrachtung der einzelnen Makrolide konnte nur für Erythromycin ein erhöhtes Risiko (adjustierte Risk Ration 1,50; 1,13 bis 1,99) nachgewiesen werden. Dies lag aber vermutlich daran, dass die beiden anderen Makrolide wegen der bekannten Bedenken nur selten eingesetzt wurden. Immerhin widersprechen die Ergebnisse der vorherrschenden Ansicht, nach der Erythromycin unbedenklich ist.

Die Forscher haben noch 2 Negativkontrollen durchgeführt. In der 1. wurden Fehlbil­dungen bei Kindern untersucht, deren Müttern vor der Schwangerschaft Antibiotika verschrieben worden waren, die damit den Kindern nicht geschadet haben konnten. Damit sollte ausgeschlossen werden, dass eine erhöhte Morbidität der Frau (und nicht der Einsatz der Antibiotika) für das erhöhte Fehlbildungsrisiko verantwortlich war.

In einer 2. Analyse wurden die Geschwister untersucht. Damit sollte eine genetische Prädisposition als Erklärung ausgeschlossen werden. In keiner der beiden Negativkon­trollen wurde ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko gefunden.

Das absolute Fehlbildungsrisiko ist gering. Fan schätzt, dass der Einsatz eines Makrolids statt eines Penicillins im 1. Trimenon zu 4,1 zusätzlichen schweren Fehlbildungen führen könnte (95-%-Konfidenzintervall 0,4 bis 9,4) – falls der Assoziation eine Kausalität zugrunde liegt.

Dies lässt sich in einer epidemiologischen Studie niemals sicher beweisen. Zusammen mit den Hinweisen aus den tierexperimentellen Studien muss das Risiko jedoch ernst genommen werden. Als Mechanismus kommt eine arrhythmogene Wirkung infrage, die eine bekannte Komplikation von Makroliden bei Erwachsenen ist. © rme/aerzteblatt.de