Missbildungen bei Babys Französische Justiz ermittelt gegen Pharmakonzern Sanofi wegen Epilepsie-Medikament

05.02.2020

Missbildungen bei Babys
Französische Justiz ermittelt gegen Pharmakonzern Sanofi wegen Epilepsie-Medikament
Es geht um Vorwürfe der "schweren Irreführung": Wegen des Epilepsie-Medikaments Depakine geht die Justiz gegen den Pharmakonzern Sanofi vor. Der Wirkstoff kann Kindern im Mutterleib schaden.
04.02.2020, 08:21 Uhr
Sanofi-Logo in Berlin (Archiv): "Informationspflichten erfüllt"?
Sanofi-Logo in Berlin (Archiv): "Informationspflichten erfüllt"?Roman Babakin/ Getty Images
Depakine hilft Epileptikern bei Krämpfen, kann bei Babys aber zu Schäden führen: Wegen des umstrittenen Epilepsie-Medikaments hat die französische Justiz ein Ermittlungsverfahren gegen den Pharmakonzern Sanofi eingeleitet. Dies teilte das Unternehmen mit. Das Medikament enthält den Wirkstoff Valproat, der bei der Einnahme durch Schwangere potenziell Missbildungen bei den Föten verursachen kann. Valproat wird auch in Deutschland verkauft.

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In den Ermittlungen geht es nach Angaben von Sanofi um die Vorwürfe der "schweren Irreführung" und der "fahrlässigen Körperverletzung". Das französische Unternehmen bezeichnete die Ermittlungen als Gelegenheit, um zu zeigen, dass es bei dem Medikament seine "Informationspflichten erfüllt" habe.

Nach dem Bericht der Gesundheitsbehörden hatten zwischen 2007 und 2014 knapp 15.000 Frauen das Medikament während der Schwangerschaft eingenommen. Unklar ist, für wie viele Kinder das Medikament tatsächlich gesundheitliche Folgen hatte.

Schätzung: Tausende Kinder kamen mit Fehlbildungen zur Welt
Laut einer Schätzung der französischen Arzneimittelaufsichtsbehörde ANSM vom April 2017 kamen bis zu 4100 Kinder in Frankreich wegen Valproat mit schweren Missbildungen auf die Welt. Demnach haben Frauen, die während der Schwangerschaft Valproat einnehmen, ein vierfach erhöhtes Risiko, ein Kind mit schweren Missbildungen zur Welt zu bringen. Es kann bei Neugeborenen zu Geburtsschäden, zu einem erhöhten Risiko für Autismus, geistige oder körperliche Behinderung führen, der IQ von Kindern leidet bis ins Schulalter.

Das Medikament wird in Frankreich seit 1967 verkauft. Seit 2015 darf das auch in Generika enthaltene Valproat in Frankreich schwangeren Frauen oder Frauen in gebärfähigem Alter nur noch verschrieben werden, wenn andere Medikamente nicht anschlagen. 2016 entschied das französische Parlament, das Opfer des Medikaments entschädigt werden.

Verschrieben wird das Medikament nicht nur gegen Epilepsie, sondern auch gegen bipolare Störungen. Die Gefahr von Missbildungen bei Babys ist seit Anfang der Achtzigerjahre bekannt. Betroffene Familien sind juristisch gegen Sanofi vorgegangen. Sie werfen dem Konzern vor, Schwangere nicht hinreichend informiert zu haben.


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Die Staatsanwaltschaft hatte bereits 2015 Vorermittlungen eingeleitet und den Fall ein Jahr später an Ermittlungsrichter weitergegeben. Es wird geprüft, ob Sanofi schwangere Patientinnen nicht ausreichend über die bekannten Risiken informiert hat. Das Unternehmen versicherte nun, weiterhin mit den Justizbehörden zusammenarbeiten zu wollen.

Das eingeleitete Verfahren kann, je nach Beweislage, zu einem Strafprozess führen. Auch eine Einstellung des Verfahrens ist denkbar. 
apr/AFP/dpa