Kinder mit spinaler Muskelatrophie könnten von Neugeborenen­screening profitieren

01.11.2019

Kinder mit spinaler Muskelatrophie könnten von Neugeborenen­screening profitieren

Freitag, 1. November 2019

Das Neugeborenenescreening dient der Früherkennung an­ge­borener Stoffwech­sel- und en­dokriner Störun­gen. Dafür wird in der 36. bis 72. Le­bens­stunde aus der Ferse Kapillar­blut abgenommen. /Fernando, stock.adobe.com

Das Neugeborenenescreening dient der Früherkennung an­ge­borener Stoffwech­sel- und en­dokriner Störun­gen. Dafür wird in der 36. bis 72. Le­bens­stunde aus der Ferse Kapillar­blut abgenommen. /Fernando, stock.adobe.com

Köln – Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sieht einen Anhaltspunkt für einen Nutzen des Neugeborenenscreenings auf die 5q-assoziierte spinale Muskelatrophie (SMA). „Je früher die Diagnose gestellt wird und die Therapie nach Auftreten der ersten Symptome startet, desto stärker können Kinder mit frühem Krankheitsbeginn (infantile SMA) davon profitieren“, hieß es aus dem Institut.

Die 5q-assoziierte SMA ist eine erbliche Erkrankung, die zum fortschreitenden Absterben von motorischen Nervenzellen im Rückenmark und damit zu Muskelschwund und -schwäche führt. Durch die Muskelschwäche werden die motorische Entwicklung, etwa freies Sitzen und Gehen, sowie die Lungenfunktion beeinträchtigt bis unmöglich. Die zunehmenden Symptome führen bei der infantilen SMA unbehandelt letztlich zur Dauerbeatmung und zum Tod.

Das IQWiG untersucht derzeit im Auftrag des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses (G-BA), ob ein Test von Neugeborenen in Deutschland auf die 5q-assoziierte SMA in Kombination mit einer früheren Diagnose und Behandlung sinnvoll wäre.

Ziel eines Neugeborenenscreenings ist, Kinder mit dem genetischen Defekt früh zu identifizieren. Dafür genügen wenige Blutstropfen, die auf Filterpapierkarten aufgetropft werden. Derzeit gehört die SMA aber nicht zu den Zielerkrankungen des Neugeborenenscreenings, für das in der 36. bis 72. Lebensstunde eine Probe Fersenblut genommen wird.

Für die medikamentöse Therapie der SMA steht in Deutschland das seit 2017 zugelassene Nusinersen zur Verfügung, das die Wirkung der fehlerhaften Gene ersetzt und über eine Punktion des Rückenmarkkanals verabreicht wird. Weitere neue Therapieansätze befinden sich laut dem IQWiG derzeit in der Zulassungsprüfung. Unter anderem auch eine erste Gentherapie. Beim Präparat Zolgensma, das in einer einzigen intravenösen Infusion verabreicht wird, handelt es sich mit einem Marktpreis von knapp 2 Millionen Euro um das teuerste Medikament der Welt. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat Zolgensma bereits am 24. Mai 2019 zugelassen, eine Zulassung der EMA wird für 2020 erwartet.

USA: Gentherapie der spinalen Muskelatrophie soll 2,1 Millionen Dollar kosten

Silver Spring/Maryland – Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat eine Gentherapie zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie vom Typ 1 zugelassen. Für Aufsehen in den Medien sorgte weniger die Möglichkeit der Behandlung, die die FDA als „transformativ“ einstuft, als das voraussichtliche Preisschild. Die einmalige Behandlung soll 2,1 Millionen US-Dollar kosten, zu zahlen in bis zu 5 Raten. Der Typ 1

Nach vorläufiger Auswertung der Studienlage sieht das IQWiG Vorteile für das Neuge­borenscreening auf SMA im Vergleich zu keinem Screening: Die Vorteile zeigten sich in einer besseren motorischen Entwicklung und hinsichtlich des kombinierten Endpunkts „Zeit bis Tod oder dauerhafter Beatmung“.

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Allerdings seien viele Fragen noch unbeantwortet, zum Beispiel, ob auch Patienten mit späterem Krankheitsbeginn von dem Screening profitieren, denn es sei unklar, inwieweit sich die Therapiedaten zu Kindern mit infantiler SMA auf andere SMA-Formen übertragen lassen.

Das IQWiG nimmt bis zum 28. November Stellungnahmen zu seinem Vorbericht entgegen. © hil/aerzteblatt.de