Frühe Diagnose der Sichelzellkrankheit erhöht Lebenserwartung

21.09.2019

Frühe Diagnose der Sichelzellkrankheit erhöht Lebenserwartung

Freitag, 20. September 2019

Blutbild bei Sichelzellanämie /extender 01 stock.adobe.com

Köln – Ein Neugeborenen-Screening auf Sichelzellkrankheit kann Todesfälle vermeiden. Das ist das Ergebnis eines jetzt veröffentlichten Abschlussberichtes des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Demnach sterben nach einem entsprechenden Screening mit anschließender Infektionsprophylaxe sowie der Schulung von Fachpersonal und Angehörigen voraussichtlich weniger Kinder an Sichelzellanämie.

Schätzungen zufolge leben etwa 3.000 Menschen in Deutschland mit dieser Krankheit. Dem IQWiG zufolge kommen in Deutschland etwa 200 Neugeborene mit Sichelzellanämie pro Jahr zur Welt – überwiegend als Babys von Eltern, die aus der afrikanischen Subsahara, dem östlichen Mittelmeerraum, dem Nahen Osten und Indien stammen.

 

Um die Vorteile einer frühen Diagnose zu untersuchen, analysierten die IQWiG-Wissenschaftler eine retrospektive, historisch vergleichende Screening-Studie an Kindern auf Jamaika und leiteten hier einen Anhaltspunkt für einen Nutzen ab. Laut Abschlussbericht unterliegen die Studienergebnisse zwar einem hohen Verzerrungs­potenzial, aber der beobachtete Unterschied zwischen Interventions- und Vergleichsgruppe sei sehr groß.

Bei der Sichelzellkrankheit führen die verformten roten Blutkörperchen zu Anämie, schlechterer Durchblutung des Körpers und verstopfen Blutgefäße. Dadurch werden wichtige Organe und auch die Abwehrreaktion des Körpers chronisch geschädigt bis hin zu Flüssigkeitsverlust, Sauerstoffmangel, Fieber und Infektionen, die auch zum Tod führen können. Die Symptome zeigen sich allerdings erst ab etwa dem dritten Lebensmonat.

Demnach sinkt die Sterblichkeit um den Faktor 10: Bis zum ersten Lebensjahr verstarben in der Gruppe der frühzeitig behandelten Kinder 0,01 Prozent, in der Gruppe der unbehandelten Kinder dagegen 0,1 Prozent. „Angesichts des deutlichen Interventionseffekts dieser retrospektiven Studie und dessen großer Bedeutung für die besonders vulnerable Gruppe von Säuglingen und Kindern lässt sich der Nutzen hier klar erkennen – auch ohne randomisierte kontrollierte Studien (RCT)“, sagte Stefan Lange, stellvertretender Leiter des IQWiG.

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Anhand von Studien zur diagnostischen Güte überprüften die Wissenschaftler ergänzend die Frage nach geeigneten diagnostischen Testverfahren für ein Screening auf Sichelzellanämie in Deutschland. Ergebnis: Die Datenlage aus diesen Studien reichte für verlässliche Aussagen nicht aus. Allerdings zeigt der positive prädiktive Vorhersagewert (PPV) einzelner Studien an, dass es durchaus Testverfahren mit hoher Spezifität gibt. Von den mittels Tandem-Massenspektrometrie (MS/MS) und Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (HPLC) identifizierten Babys waren bei diesen Verfahren alle tatsächlich von einer Sichelzellkrankheit betroffen. © hil/sb/aerzteblatt.de